Ein junger Erwachsener erzählt
Im Frühjahr 2019 erkrankte Daniel* an einem Glioblastom, einem sehr aggressiven, bösartigen Hirntumor. Der Tumor wurde operativ entfernt, danach erhielt Daniel eine Radiotherapie mit Protonenbestrahlung und anschliessend eine Chemotherapie bis Frühling 2021. Im Interview erzählt er, wie es ihm seither ergangen ist.
Daniel, wie alt waren Sie, als sich die Symptome Ihrer Krebserkrankung bemerkbar gemacht haben und wie haben Sie die Diagnose aufgenommen?
Bemerkbar gemacht hat sich der Tumor im Frühling, als ich in der 8. Klasse war. Ich litt an extremen Kopfschmerzen, Schwindelattacken, sehr starker Müdigkeit, Bluthochdruck und Sehstörungen. Ich hatte schwarze Flecken vor den Augen und war teilweise für einige Sekunden komplett «blind». Über mehrere Monate war ich mindestens einmal in der Woche beim Kinderarzt, doch ich wurde nie richtig untersucht. Die Symptome wurden auf Ursachen wie Übergewicht, Migräne und sonstige oberflächliche Merkmale reduziert. Als ich die Diagnose erhalten habe, hatte ich schon einen Lehrvertrag als Informatiker in der Tasche - das Schuljahr war schon fast zu Ende.
Die Diagnose hat mich extrem erleichtert. Dass ich endlich wusste, woher meine Kopfschmerzen kamen, und vor allem, dass ich sie endlich los war, hat mich sehr gefreut.
Welche Folgen hatte die Krankheit und die anschliessende Therapie für Ihre Lehre als Informatiker?
Im ersten Lehrjahr musste ich bis im Frühling noch zur Chemotherapie, doch ich hatte nie einen Fehltag deswegen. Im Herbst und im Winter des zweiten Lehrjahres begann ich an Fatigue (chronische Erschöpfung, Anm. d. Red.) zu leiden. Nachdem ich Anfang 2022 eine Reha besucht hatte, musste ich mein Pensum auf 50 Prozent senken. Leider musste ich dann meine Ausbildung abbrechen, weil sie mich mit so einem tiefen Pensum nicht ausbilden konnten.
Wie ging es dann weiter?
Ich bekam dann durch die Invalidenversicherung einen Platz in der BAND-Genossenschaft. Dort konnte ich mein Arbeitspensum langsam wiederaufbauen und danach ein Vorlehrjahr für eine Ausbildung als ICT-Fachmann absolvieren, sozusagen einer einfacheren Version der Informatiker-Lehre. Als die Lehre im Sommer 2023 begann, traten bei mir extremste Schlafstörungen auf. Nach nur anderthalb Monaten haben sie mich aus der Ausbildung geschmissen.
Dadurch, dass ich dauernd zuhause war und nichts zu tun hatte, verschlimmerte sich mein Fatigue-Syndrom. Deswegen besuchte ich Ende Oktober bis anfangs Dezember 2023 erneut eine Reha. Als ich dann wieder zu Hause war, organisierte ich mir einen Mini-Job, um wenigstens eine minimale Tagesstruktur zu haben. In der Reha hatte ich gemerkt und gelernt, dass eine Tagesstruktur mir sehr stark hilft und sich sehr positiv auf meine Fatigue auswirkt.
Unter welchen Spätfolgen durch die Krankheit und die Tumortherapie leiden Sie zurzeit?
Spätfolgen der Krankheit selbst gibt es keine. Als Spätfolge der Therapie leide ich an einer sogenannten «Tumor- related-Fatigue». Anfangs hat sie sich nur leicht geäussert, wurde dann aber durch eine Covid-19-Infektion noch verstärkt. Heute ist es so, dass ich mich bei der Arbeit nur ungefähr 30 Minuten am Stück konzentrieren kann und dann eine Pause brauche. Nur so kann ich ein Arbeitspensum von 50-60 Prozent halten, ohne dass ich danach vollkommen erschöpft bin und keine Energie mehr für mein Privatleben habe. Ich brauche auch mehr Erholung und viele Dinge wie zum Beispiel laute Geräusche und flackerndes Licht machen mich extrem müde.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir so schnell wie möglich eine Ausbildung starten und abschliessen zu können. Und ich hoffe, dass meine Krebserkrankung weiterhin so positiv verläuft wie bisher und dass es keinen Rückfall geben wird.
Das wünschen wir Daniel* und allen anderen Kindern und Jugendlichen, die von Krebs betroffen sind, auch!
Vielen Dank für das Interview.
*der Name wurde geändert.
Spätfolgen von Krebs
Spätfolgen, wie Daniel sie beschreibt, betreffen viele ehemalige Hirntumorpatientinnen- und Patienten. Die häufigsten Folgen sind Konzentrationsprobleme, eine verminderte Arbeitsgeschwindigkeit sowie Schwierigkeiten bei der Problemlösung. Das Fatigue-Syndrom äussert sich durch eine körperliche und geistige Erschöpfung und einer geringen Belastbarkeit. Für Betroffene ist es oft schwierig, eine gute Ausbildung zu finden und diese für eine eigenständige Zukunft erfolgreich abzuschliessen. Für die wenigsten gibt es geeignete Unterstützungsangebote wie Berufsberatung und Arbeitscoaching.